Remote Driving in Deutschland: Neue Regeln, alte Hürden

Remote Driving in Deutschland: Neue Regeln, alte Hürden

Der Kern der Sache

Was vor wenigen Jahren noch wie Science-Fiction klang, wird nun Realität auf deutschen Straßen: Fahrzeuge, die nicht von einem Fahrer vor Ort gesteuert werden, sondern aus der Ferne – per Bildschirm, Joystick und Datenverbindung.

Mit einer neuen Verordnung öffnet die Bundesregierung den rechtlichen Rahmen für sogenanntes „Telefahren“: Fahrzeuge dürfen künftig nicht nur ferngesteuert im Stadtverkehr, sondern auch auf Autobahnen bewegt werden. Die entscheidende Voraussetzung: eine stabile und reaktionsschnelle Verbindung zwischen Leitstand und Fahrzeug.

Worum geht’s konkret?

Eine Fernfahrerin sitzt nicht mehr im Auto, sondern in einem Leitstand – möglicherweise hunderte Kilometer entfernt. Kameras, Sensoren und Echtzeitdaten liefern ein umfassendes Bild der Verkehrssituation, und die Steuerung erfolgt digital.

Doch damit diese Vision nicht zum Sicherheitsrisiko wird, definiert die neue „Straßenverkehr-Fernlenk-Verordnung“ (StVFernLV) klare technische und organisatorische Vorgaben.

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200 Millisekunden – der neue Grenzwert für sicheres Telefahren

Ein zentrales Element ist die sogenannte Systemlatenz. Diese darf – vom Moment der Videoaufnahme bis zur Anzeige auf dem Kontrollschirm inklusive Steuerreaktion – maximal 200 Millisekunden betragen. Warum das entscheidend ist? Weil bei 80 km/h jede zusätzliche Verzögerung mehrere Meter Unterschied im Anhalteweg bedeuten kann. Wird die erlaubte Latenz überschritten, muss das Fahrzeug automatisch langsamer fahren – etwa auf 64 km/h bei 250 ms Verzögerung.

Ohne stabiles Netz keine sichere Fahrt

Der Flaschenhals bleibt die Datenverbindung. Erste Feldversuche zeigten bereits: In urbanen Gebieten mit überlastetem Mobilfunknetz kann die nötige Bandbreite schnell einbrechen. Für Anbieter wie BMW, Valeo oder das estnische Startup Elmo stellt das eine echte Herausforderung dar.

Die Verordnung verlangt daher Systeme mit hoher Ausfallsicherheit, Verbindungsstabilität und Fehlertoleranz. Tritt dennoch ein Verbindungsabbruch auf, muss das Fahrzeug autonom und sicher zum Stillstand kommen, etwa mit Warnblinkanlage auf der Fahrspur.

Safety First: Wer darf fernsteuern?

Der Mensch bleibt auch beim Remote Driving die zentrale Sicherheitsinstanz. Wer im Leitstand sitzt, muss:

  • mindestens 21 Jahre alt sein,

  • mindestens drei Jahre Fahrpraxis nachweisen,

  • eine spezielle Schulung absolvieren,

  • einen sauberen Punktestand im Fahreignungsregister haben (max. 3 Punkte).

Zudem ist eine fortlaufende Überprüfung der Fahrtüchtigkeit vorgesehen – inklusive technischer Aufmerksamkeitsmessung und Alkoholkontrolle vor Schichtbeginn.

Keine Ausnahmen für Sicherheit

Gefahrguttransporte sind per Remote Driving verboten. Ebenso gelten klare Regeln für Notfälle: Not-Aus-Schalter müssen sowohl im Auto als auch im Leitstand vorhanden sein, bei Autobahnnutzung zusätzlich ein Spurhalte- und Notbremsassistent. Einzige Ausnahmen von der Verordnung: Einsatzfahrzeuge von Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Teleoperiertes Fahren wird kein Ersatz für autonomes Fahren – aber ein möglicher Brückentechnologie. Statt auf komplexe KI zu warten, übernehmen Menschen temporär die Steuerung – mit digitaler Sicht und unter strengen Vorgaben.

Besonders interessant: Geschäftsmodelle wie fernsteuerbare Carsharing-Flotten, die direkt vor die Haustür kommen, oder Remote-Valet-Parking auf überfüllten Parkplätzen werden dadurch realisierbar.

Fazit: Ein kleiner Schritt für die Technik, ein großer Sprung für die Regulierung

Die neue Verordnung markiert einen wichtigen Meilenstein. Deutschland wagt den Schritt in eine vernetzte Mobilitätszukunft – mit klaren Regeln, hohen Sicherheitsstandards und einem Auge auf das technisch Machbare.

Fernsteuerung ist kein Blindflug. Aber er funktioniert nur, wenn wir in Infrastruktur, Ausbildung und Redundanz investieren. Der Countdown läuft: Ab Dezember 2025 darf ferngesteuert gefahren werden – unter strengem Blick auf die Millisekunden.